Der Wunsch nach Neuem lässt die Hoffnung blühen.

Das neue Jahr und die feinen Fäden des Schicksals

Wie Neues beginnt und das Schicksal sich wandelt…

Alle haben wir darauf gewartet: Mit frischem Schwung in ein neues Jahr zu gehen. Wir vier Schwestern haben das gemacht, jede auf ihre Weise und dennoch alle zusammen. Die Sängerin hat das Jahr mit einem Lied begrüßt, die Poetin hat sich tiefgreifende Gedanken zum Jahresbeginn gemacht, die Genießerin hat Pläne geschmiedet und freut sich nun auf die Umsetzung und ich, die Älteste von allen, habe mich in Zurückhaltung geübt, was stets meine größte Herausforderung war. Aber Üben hilft, das wissen meine Schwestern und ich weiß das natürlich schon sehr viel länger, denn ich bin ja die Ältere.

Die göttliche Herrin

Es ist ein langer Weg vom Wunsch nach Veränderung bis zur Erfüllung dieses Wunsches und damit zum Eintritt in neue Dimensionen. Wie gestaltet sich Neues? Kommt es einfach so oder kann ich etwas dazu tun, dass es geschieht? Muss ich vielleicht sogar etwas dazu tun oder ist schon alles getan, einfach dadurch, dass wir sind? Vielleicht ist der Wunsch nach Neuem nur der Wunsch nach Wachstum, nach Weiterentwicklung und nach dem Erscheinen des Unvermeidlichen?

Das waren Fragen, die uns in unserer Weihnachtsklausur sehr bewegt haben. Alleine kamen wir nicht weiter. Deshalb haben wir uns Gäste eingeladen, die sich mit dem Schicksal auskennen, wie sonst niemand auf der Welt. Zu uns kamen unsere Tanten, die Nornen Urd, Verdandi und Skuld. Tante Urd ist eine Expertin für alles, was in der Vergangenheit beheimatet ist. Tante Verdandi hat den Überblick über alles was ist und Tante Skuld können wir befragen, wenn es um Zukünftiges geht. Die drei sind immer zusammen unterwegs. Sie sind auch Schwestern im weitesten Sinne, denn die eine ist nichts ohne die andere. Wie bitte soll die Zukunft bewertet werden, wenn das Vergangene nicht bedacht wird und was wäre das Gegenwärtige ohne den Bezug zu Vergangenem und Zukünftigem?

Die drei, wenn sie bei uns zu Besuch sind, sitzen ständig zusammen, beraten und spinnen. Diese alte Kunst, die nur noch wenige Menschen in Handarbeit beherrschen, ist ihre Lebensaufgabe. Die Fäden, welche die drei spinnen, verweben sich nicht in edlen Gewändern, die dann vor Sonne, Wind, Regen oder Kälte schützen oder die individuelle Eitelkeit des Trägers oder der Trägerin befriedigen. Die Fäden unserer Tanten spinnen sich zueinander. Jede spinnt ihr eigenes Garn und nur in der Zusammenführung dieser drei Gespinste entwickelt sich der neue und sinngebende Faden des Schicksals eines jeden Menschen. Das Wirken unserer Tanten hat Auswirkungen für alle Menschen und wirkt auch im Göttlichen. Alles spinnt sich zusammen aus dem was war, was ist und was sein wird und das Neue entsteht in dem Moment, in welchem sich alle drei Fäden in einer ersten Umdrehung zusammen winden.

Dieser eine kurze Moment ist der, an dem unsere Tanten frohlocken. Sie können sich freuen wie kleine Kinder, obwohl sie schon uralt sind und in ihrem Leben schon millionenfach Schicksalsfäden gesponnen haben. Jedesmal scheint es für sie zu sein, als würden sie zum erstenmal eine Lebensentscheidung für einen Menschen einfädeln.

Wie oft haben wir vier Nichten schon mit unseren drei Tanten darüber geredet, ob es wirklich gut ist, den Menschen ihre Wege so sehr vorzugeben. Sie lassen sich jedoch in ihren Überzeugungen nicht beeinflussen. Sie sind sicher, dass alles was war, sich verbinden muss mit allem was sein wird und dass diese Verknüpfung nur über das, was jetzt gerade ist, möglich werden kann.

Manchmal denke ich ja, dass dieses „Jetzt“, also die Gegenwart gar nicht existiert, denn in dem Moment, indem ich beginne über die Gegenwart zu reden, ist sie ja schon zur Vergangenheit geworden. Aber darüber mit Tante Verdandi zu sprechen, ist ganz unmöglich. Nun ist sie aber auch wirklich das einzige Wesen auf dieser Welt, das dieses „Jetzt“ er – und beleben kann, denn nur Tante Verdandi kann die Zeit in dem Tempo wahrnehmen, das zum Erleben der Gegenwart notwendig wird.

Es ist ein Moment des Schwebens zwischen allen Sphären: Kein Fuß ist auf dem Boden, kein Gedanke wird gedacht, kein Wort wird geprochen, keine Entscheidung wird getroffen. Es gibt keine Bewegung, es gibt keine Regung und in diesem scheinbaren Nichts verwandelt sich die Vergangenheit in die Zukunft.

Tante Verdandis Nornen-Schwestern finden ihr eigenes Spinnen manchmal wichtiger als das ihrer mittleren Gefährtin. Sie merken dann, im Eifer ihres Tuns, nicht mehr, dass sie beide ohne das Wirken von Tante Verdandi mit ihren Spinnereien nicht wirklich etwas vollbringen würden. Die mittlere Schwester hat nämlich auch wichtige Aufgaben im Leben, auch wenn die jüngeren und älteren Schwestern das oft lange nicht wahrhaben wollen. Die Mittlere ist, im wahrsten Sinne des Wortes, die Mittlerin zwischen dem was war und dem was werden wird. Das ist im irdischen Geschwisterleben nicht anders als im göttlichen und mystischen Geschwisterleben. Verdandis Wirken entscheidet über die Haltbarkeit des Lebensfadens, denn aus diesem scheinbaren Nichts entsteht die wahre Wandlung vom Alten zum Neuen und je genauer unsere alte Tante Verdandi ihr Fädchen spinnt, umso mehr Stärke wird den Trägern und Trägerinnen der so sehr individuellen Schicksalsgewänder zu Teil.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie sehr die Nornen und ihr Tun sich in unserem Alltag und in der Sprache auf geheimnisvoll offensichtliche Weise Gehör verschaffen? So unsichtbar sind ihre Fäden nämlich gar nicht.

  • Wir lassen etwas auf uns wirken
  • Wir wirken in bestimmten Berreichen
  • Etwas wird wirksam
  • Etwas ist wirklich
  • Ein Werk wird vollendet
  • Wir erwirken etwas
  • Wir verwirklichen Dinge und Pläne
  • Die Wirklichkeit gestaltet sich
  • Die Auswirkungen werden sichtbar
  • Das Wirken gelingt oder auch manchmal nicht so, wie gewünscht…

Darüber klagen ab und zu auch unsere lieben Tanten. Denn all ihr Wirken, all ihr Werk kann nur dann gelingen, wenn Mensch und Gott gewillt sind, sich den vorgesponnenen Plänen zu fügen. Unser eigener freier Wille könnte scheinbar dem Wirken und Werken unserer lieben Ahnen entgegenstehen. Jedenfalls denken wir Menschlein das. Unsere Tanten hingegen sind überzeugt (das ist auch wieder so ein gesponnenes Wort… Zeug, Überzeugung…) davon, dass jeder freiheitsbedingte Ausbruch in die eigene Schicksalsgestaltung schon von alters her geplant war und eingewoben ist in den großen Lebensfaden eines jeden Wesens, ganz gleich ob Gott oder Mensch.

Unsere lieben alten Tanten bei der Arbeit…ihre unsichtbar gewobenen Fäden verbinden uns mit unserem Schicksal und damit unser Schicksal mit dem aller Wesen in dieser Welt.

Die Skulptur „Die Nornen“ wurde von dem Metallbildhauer Eckhardt Herrmann gefertigt. Auf der Suche nach einem aussagekräftigen Bild von den Nornen, stieß ich auf seine Internetseite und fand dieses Foto. Ich rief ihn an und bat ihn um die Erlaubnis, das Bild nutzen zu dürfen und nun dürfen Sie es auch anschauen. Vielen Dank, lieber Herr Herrmann.

Hier ( https://herrmannart.wordpress.com ) können Sie selbst einmal nachschauen, welche Kunstwerke Eckhardt Herrmann darüber hinaus geschaffen hat.

Wir vier Schwestern wünschen Ihnen von Herzen starke und haltbar gesponnene Lebensfäden und für dieses nun neue und gerade erblühende Jahr, stets zart gewebtes, weiches und wohliges Tuch, das Sie umhüllen soll mit Liebe, Hoffnung und Zuversicht.

Möge es Sie immer zur rechten Zeit wärmen oder kühlen, Ihnen Schutz bieten und Kraft spenden, um all das zu tun, was Sie sich für Ihr eigenes neues Jahr wünschen und erhoffen.

Bleiben Sie behütet und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihren vier Musen.

Die göttliche Herrin

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